Ukraine – Eine Serie von Skandalen

Die EBU wird nach Tel Aviv über das Strafmaß entscheiden

Die Ukraine kommt nicht zur Ruhe. Politisch rumort es seit Jahren in dem Land, was sich auch immer wieder auf andere Bereiche des Lebens auswirkt. Auch die Eurovision blieb oftmals nicht verschont. Jüngstes Beispiel ist die kurzfristige Absage der Teilnahme für den Eurovision Song Contest 2019. Die EBU gab nun bekannt, dass man erst nach dem Wettbewerb in Tel Aviv über etwaige Sanktionen gegenüber dem ukrainischen Fernsehen UA:PBC beraten wird. Es ist nicht die erste Strafe, die das Land kassiert. Man kann fast Jahr für Jahr einen neuen Skandal in Bezug auf die Ukraine finden.

2003 debütierte das Land in Riga. Da noch ein Startplatz frei war hatte die Ukraine das Glück, erstmals einen Beitrag vor großem Publikum zu präsentieren. Es endete mit Platz 14. Schon im nächsten Jahr holte man sich mit Ruslana den Sieg in Istanbul und ein Jahr später ging es dann nach Kiew.

Die Orangene Revolution und ihre Folgen

Hatte man die ersten beiden Jahre noch intern seinen Song erwählt, sollte 2005 eine lange Serie von Vorrunden den Gastgeberbeitrag ermitteln. 527 Liedern wurden eingereicht. 75 davon erhielten die Chance in 15 Shows ein Ticket fürs Finale zu ergattern. Im Zeichen der Orangenen Revolution jedoch sah der Vize Premierminister zuwenig Wiedergabe der politischen Eregnisse im nationalen Contest und so wurden vier Wildcards vergeben, von denen eines zum Schluss den Sieg errang. Greenjolly schafften es mit der Hymne der Revolution Razom nas bahato die haushohe Favoritin Ani Lorak mit A Little Shot Of Love auf Platz 2 zu verweisen. Es folgten sowohl Plagiatsvorwürfe als auch Kritik am politischen Inhalt des Liedes. Bis zum internationalen Wettbewerb musste der Text dann noch überarbeitet werden. Am Ende landete der Song abgeschlagen auf Platz 20.

Im Jahr darauf verlief die Auswahl via des Casting Formates Ti-Zirka und brachte die sehr sympathische Sigerin Tina Karol hervor. Sie sollte mit I Am Your Queen das Land in Athen vertreten, aber wie so oft in einigen der ehemaligen Sowjetrepubliken wurde das Lied nochmals überarbeitet und Pavlo Shylko, Moderator des Contests in Kiew zauberte Show Me Your Love hervor, was die Ukraine auf einen erfolgreichen 7. Platz brachte.

Lasha Tumbai – Russia Goodbye

Die Kunstfigur Verka Serduchka übernahm 2007 die Rolle der Botschafterin der Ukraine in Helsinki. Jedoch stieß der Text von Dancing Lasha Tumbai auf Ablehnung. Die sinnfreien Worte Lasha Tumbai wurden als Russia goodbye und somit als Affront gegenüber dem großen Nachbarn empfunden. Verschiedene Konzertveranstalter schlossen Andriy Danylko von Veranstaltungen aus, der wiederum Russland hinter diesem Vorgehen vermutete. Am Ende gab es Platz 2 und man landete vor Russland.

Nach einem ruhigen Jahr mit der „Shady Lady“ Ani Lorak und einem zweiten Platz ging es 2009 nach Moskau. Dieses Jahr drehte sich die Kontroverse rundum Anastasiya Prikhodko, welche Vorwürfe gegenüber den ukrainischen Sender und der Jury erhob. Laut ihrer Vorstellung sollte in den internen Vorrunden ein anderer Song als der Beitrag zur Eurovision vorgestellt werden, was zur Disqualifikation der Interpretin führte, da der Paragraph 4.3 besagte, den Wettbewerbsbeitrag vorzutragen. Prikhodko legte Protest ein, was die Ausstrahlung der Vorentscheidung blockierte. Anastasiya verzog sich nach Moskau und gewann dort den nationalen Entscheid. Beim internationalen Finale in Russland traf sie dann auf die ukrainischen Vertreterin Svitlana Loboda und landete mit ihrem Mamo mit Platz 11 einen Platz vor dem Anti Crisis Girl aus dem Nachbarland.

Von I Love You zu Sweet People

Auf dem Weg nach Oslo erlebte die Ukraine 2010 wieder politische Umwälzungen. Zunächst hatte der nationale Sender den Sänger Vasyl Lazarevich als Vertreter nominiert, der 5 Lieder in der Vorentscheidung vorstellte. I Love You gewann. Eine Woche vor der offiziellen Deadline entschied die neue Leitung des Senders, dass sie mit der Auswahl der Vorgänger nicht einverstanden waren. Eine neue Vorentscheidnung mit verschiedenen Interpreten sollte her, was aber gegen die Regeln der EBU verstieß. Das Auswahlsystem in jedem Land musste bis zum 31. Januar feststehen. Die Disqualifikation des Landes drohte.

An der neu angesetzten Vorentscheidung beteiligte sich auch Vassyl Lazarevich und wurde zum Schluss Siebter. Auf Platz 1 landete Alyosha mit To Be Free. Aber kaum gewonnen, kamen Plagiatsvorwürfe auf, die eine öffentliche Präsentation des Songs zwei Jahre vor der Entscheidung offen legte. Die EBU gab der Ukraine abermals Zeit und man ging auf die Suche nach einem neuen Song für Alyosha. Mit Sweet People landete Alyosha in Norwegen auf Platz 10 im Finale.

Sand im Getriebe der Vorauswahl

Im Jahr darauf beherrschten Unregelmäßigkeiten in der Abstimmung die nationale Findung. Schon während der Sendung wurden Tanya Vorzheva und Vitaliy Galay disqualifiziert, da sie 7 statt 6 Personen auf die Bühne stellten. Mika Newton mit Angel gewann, aber kurze Zeit später erhob Jury-Mitglied Hanna Herman Vorwürfe gegen das Ergebnis. Eine erhöhte Anzahl von Anrufen von einer Telefon-Nr. veranlassten den Sender den ersten drei eine erneute Vorentscheidung anzubieten. Jedoch Jamala, mit ihrem Smile auf Platz 2, lehnte die Einladung ab, weil sie davon ausging, dass die Ergebnisse wieder manipuliert würden. Auch die drittplatzierte Zlata Ognevich verzichtete auf eine erneute Kandidatur, da sie am gleichen Tag eine Einladung zu einer anderen TV-Show hatte. Mika Newton fuhr nach Düsseldorf und wurde unterstützt durch eine Sandmalerin Vierte. Jamala (2016) und Zlata Ognevich (2013) sollten ihre Chance noch kriegen und sich besser als Mika Newton platzieren.

Gaitanas Sieg 2012 war nicht umstritten, jedoch stieß ihre Teilnahme nicht auf allgemeine Sympathie. Sie sah sich aufgrund ihrer afrikanischen Wurzeln Diskriminierungen ausgesetzt.

Ihr folgte Zlata Ognevichs Revanche für 2011. 2013 erklomm sie mit Gravity national Platz 1 und fuhr mit einem Riesen nach Malmö. Völlig skandalfrei kam sie dort auf Platz 3.

Die Annexion der Krim und ihre Folgen

Die Politik mischte sich dann 2014 wieder mit ein. Im März annektierte Russland die Krim und warf einen Schatten auf die internationale Endscheidung. Schon die nationale Auswahl stand unter keinem guten Stern. Nachdem Mariya Yaremchuk mit Tick-Tock gewonnen hatte, erhoben mehrere Kollegen zum Beispiel Viktoria Petryk (Love Is Lord) und das Duo neAngely Vorwürfe gegen das Telefonvoting.  Angeblich wären Leitungen für einige Beiträge blockiert gewesen, während Mariyas stets offen gewesen wären.  Aber alles blieb ohne Konsequenzen.

Die Krim-Geschichte veranlasste jedoch Mariya Yaremchuk dazu, über ihren eher flotten Song nachzudenken. In ihr reifte der Wunsch den Song gegen einen eher nachdenklichen auszutauschen. Aber in Kopenhagen erklang ihr Tick-Tock. Das Publikum stand auf der Seite der Ukrainer und es teilte kräftig mit Buhrufen für den russischen Beitrag der Tolmachevy Sisters aus. Am Ende landete die Ukraine mit Platz 6 einen Platz vor den russischen Zwillingen.

Die Buhrufe verstummten in Wien auch nicht. Polina Gagarina sah sich den Antipathien des Publikums in der Wiener Stadthalle ausgesetzt, so dass Conchita Wurst als Green Room Moderatorin eingreifen musste.

Dabei war die Ukraine gar nicht am Start. Schon im September 2014 sagte der ukrainische Sender NTU seine Teilnahme für den Contest in Wien ab, da die finanzielle und politische Situation keinen Start zuliess.

Der musikalische Sieg über Russland

Man kehrte dann 2016 umso eindrucksvoller wieder zurück. Doch auch hier blieb die Diskussion nicht aus. Im Zentrum stand Jamala mit ihrem Krim-Song 1944. Schon bei der nationalen Entscheidung führten Unstimmigkeiten in der Jury zu keiner eindeutigen Wahl Jamalas. Ihr Lied musste dann auch die Aufsicht der EBU passieren. Jamala fuhr nach Stockholm und schnappte sich mit zwei zweiten Plätzen im Televoting und der Juryentscheidung den Sieg und hinterliess einen enttäuschten Favoriten Sergey Lazarev aus Russland auf Platz 3.

Kiew lud 2017 zum 62. Eurovision Song Contest ein. Auch Russland stand im Teilnehmerfeld. Der nationale Sender wählte Juliya Samoylova aus, die in den letzten Monaten auf der Krim aufgetreten war, was die Ukraine Gesetzgebung dazu veranlasste, ihr die Einreise in das Land zu untersagen. Nach einigem Hin und Her, bei dem die EBU sogar einen Auftritt via Live-Schaltung nach Moskau ins Gespräch brachte, sagte Russland am 13. April die Teilnahme ab. Trotz eines schönen Festes in Kiew blieben Scherben zurück, denn der Ukraine wurde hinterher die Strafe von der EBU aufgedrückt.

Und nun ist es wieder die politische Situation, die die Ukraine dazu veranlassen, die Teilnahme für 2019 abzusagen und Maruv mit ihrem Siren Song nicht antreten zu lassen. Sollte Russland 2019 den Contest in Tel Aviv gewinnen, dann wird die Ukraine auch 2020 noch einmal auf die Teilnahme verzichten. Somit dürfen wir schon auf die nächste Folge in der Skandalserie gespannt sein